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Am Strande der Ostsee.
Oer Morgen bricht an. Ein kühler Wind weht vom Meere her. In
eintönigem Gebraust tönt der Wellenschlag der Flirt. Wir wandern dem
Strande entlang. In der Nähe der Flut ist der Sand glatt und fest wie
der Boden einer Tenne. Der Fuß hinterläßt kaum eine Spur, obwohl der
Sand vom Wasser durchtränkt ist. Wir gehen unmittelbar an der Grenzlinie
des herangleitenden Wassers und richten unsern Blick auf die See. In
ziemlicher Entfernung gewahrt man über der tiefgrünen Flut ein Empor-
schäumen mächtiger Wogen. Sie bezeichnen die Richtung eines unterseeischen
Riffs, über dem eine wilde Brandung steht. Diesseits dieser Stelle
erscheinen die Fluten beruhigter; aber näher dem Strande beginnt erneut
eine heftige Bewegung Der flache Boden setzt den heranziehenden Wogen
ein Ziel, langsam wachsen sie in die Höhe, verflachen sich am aufstrebenden
Rande zu scharfen Kämmen, und nun liberstürzen sie sich in heftigen Sprüngen,
wobei das gepeitschte Wasser sich in weißen Gischt verwandelt. In mächtigen
Schaummassen sprüht er empor und bezeichnet den Weg der Brandung in
blendend dahinschießenden Flutgarben. Verkleinert und im stärksten Anprall
gebrochen, rückt die flache Welle nun weiter, öfters noch bäumt sie sich in
kleineren weißen Schaumkämmen auf, bis endlich der Rest des Wassers in
flachen Güssen geräuschlos und wie ermüdet auf dem fast ebenen Strande
aufläuft. In eintönigem und doch stets fesselnden! Gebraust hallt ruhelos
das Geräusch der Brandung über Strand und Düne.
Heiß strahlt die Sonne auf den schnelltrocknenden Sand. Der heftig
über den Boden streichende Wind erfaßt die obersten Lagen. Gleich einem
feinen Nebel führt er die winzigen Körnchen zu Millionen dahin. In
ihrer unendlichen Zahl erzeugen sie, wie sie so wirbelnd dahingleiten, ein
leises, knisterndes Geräusch, das dem aufmerksamen Beobachter trotz des
Brausens der Brandung nicht entgeht. Zugleich reiben und schleifen
die aneinander prallenden winzigen Körnchen ihre Oberfläche und zer-
malmen und zerbröckeln in verhältnismäßig kurzer Zeit die wenigen
harten Muschelschalen, die in ihrer Masse eingebettet sind. Näher den
Dünen ist die Wirkung des Windes noch fesselnder. Auch hier herrscht
die leise, aber unaufhaltsame Bewegung, auch hier tönt unablässig das
feine Klingen und Knistern. Wie gefurcht erscheint an manchen Stellen
die Oberfläche der Düne. Hinter jedem kleinen enivorragenden Gegenstände,
welcher die Wirkung des Windes und der rollenden Körnchen hemmt, bildet
sich ein winziges Häufchen oder ein kleiner Damm losen Sandes. Jeder hin
und her schwankende Grashalm zieht, gleich dem Zirkel, eine feine aber
deutliche Bogenlinie in die bewegliche Masse. An anderen Stellen hat der
Sand durch eingesickertes Regenwasser größere Festigkeit erlangt, und fast
ohne eine Spur zu hinterlassen, schreitet der Fuß über die oft wie marmoriert
erscheinenden Flächen.
Bald interessieren uns die schwarzen Torffladen, welche die See aus-
geworfen, bald die Muscheln, die Holzstücke, die verirrten Tierchen. Da
hüpfen Flohkrebse, hier liegen Schmetterlinge verweht im Sande. Ein
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TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Nunmehr stieg ich die Waldterrasse hinab zum Hafsnser. Der Borstrand
«der Raum zwischen Haff und Höhe) ist mit Steinen dicht bedeckt, war es
aber früher in einem noch höheren Grade; denn schon seit Jahren bildete
die Niste den Steinbruch für die steinarmen Umgegenden, namentlich für
die Nehrung und die Marschen der Weichselniederung. Jetzt ist sie an
größeren Blöcken erschöpft. Nur im Haff selber liegen noch einige, darunter
der sogenannte „Heilige Stein". Er mag achtzehn Fuß lang und ebenso
breit sein. Über das Wasser steigt er anfangs mit senkrechten Flächen,
dann schrägen sie sich in einem Rücken ab, so daß er den Eindruck eines
Grabes macht. Wahrscheinlich hat dieser Stein seine Bezeichnung als
„heiliger" davon, daß die alten Preußen auf ihm ihrem Gotte Kurche die
Erstlingsopfer des Fischfangs brachten. Bor 600 Jahren mag er auch noch
nicht im Wasser selber, sondern auf dem Strande des nun mehr und mehr
abgestürzten Users sich befunden haben. Wie an die meisten auffallend
großen Steine, so knüpft sich auch hier eine Sage an: In jener Zeit näm-
lich, als Riesen die Erde bewohnten, hauste einer von ihnen auf der Frischen
Nehrung, ein zweiter am gegenüberliegenden Ufer des Frischen Haffs bei
Tvlkemit. Beide hatten nur ein Beil, welches sie sich zum Fällen des
Holzes gegenseitig zuwarfen. Als einmal der auf der Nehrung wohnende
das Beil haben wollte, der andere aber sich weigerte, es ihm zu geben, er-
griff jener den mächtigen Stein und warf nach seinem Bruder. Der Stein
glitt aber an dem Daumen etwas ab, und so erreichte er nicht ganz das
diesseitige Ufer. — Bei den meisten großen Blöcken in unserer Provinz
spielt freilich, der Teufel die Hauptrolle — und der „Heilige Stein" würde
den Mangel seiner Beziehung auf den Teufel längst gebüßt haben und
zersprengt sein, wenn die Regierung seine Beschädigung oder Vernichtung
nicht ausdrücklich untersagt hätte. Dafür hat man die übrigen Steine umso
weniger geschont, leider zum großen Verderben des Ufers, das nun ab
gespült und abgeschält wird. Gewöhnlich glaubt man, daß dieses durch die
Wellen des Haffs geschieht; sie sind aber eigentlich der am wenigsten tätige
und schädliche Faktor. Die aus dem steilen Ufer quellenden Wasser, die es
unterwühlen, lockern und Bergfälle verursachen, schaden allein schon mehr
als alle Flutwellen. Ganz besonders aber ist es das Eis, welches im Früh-
ling, wenn das Haff aufgeht, von den Winden an das Ufer getrieben wird
und die auffallendsten Verheerungen anrichtet. Wo große Steine ans der
Uferbank liegen, wird der schädliche Einfluß der sich auftürmenden Eis-
wälle wesentlich gehemmt. Fehlt dieser Schutz, so nagt das Eis alljähr-
lich an den Uferwänden wie eine Säge. Das ist auch hier der Fall. Aus-
stürzende Bäume, die in der Tiefe liegen, andere, die wie zum Tode ge-
neigt, sich mit ihren Wurzelfasern noch an das Ufer anklammern, beweisen
den schädlichen Einfluß des Winters genugsam. Dafür läßt sich aber das
Ufer wie eine geologische Karte von unten bis oben übersehen, und man
erkennt darin die verschiedenen Lehm- und Sandschichten, zu oberst die
Humusschicht des Waldes. Ganz besonders zeichnet sich der feine weiße
Quarzsand aus und eine durch Eisenocker zu einem Konglomerat verbundene
gelbe Sandschicht, welche auf der Nehrung auch wohl scherzweise Pfeffer-
kuchen genannt wird.
Nachdem das alles am Haff gesehen und bedacht worden, begab ich
mich in einem Taleinschnitt durch den noch jungen Wald wieder auf die
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eingebettet lagen jene Zeugen der Vergangenheit bis vor wenigen Jahr-
zehnten am Rande der dereinstigen Strombucht. — Selbstverständlich war
sie nicht nach allen Seiten fest abgeschlossen. Wo die Natur eine Senkung
geschaffen hatte, da stoß das Wasser weiter in das Land hinein. Erst als
der Nordglazialstrom sich bei Fordon nach Norden dnrchgesressen und so den
selbständigen Strom, die Weichsel, geboren hatte, konnte er durch diese nach
Norden sich schneller der Wassermassen entledigen und legte dadurch seinen
Wasserspiegel wie den der Strvmbucht um ein bedeutendes niedriger. Nach
dem Boden, der damals im Werder angeschwemmt wurde, zu urteilen, müssen
in dieser Zeit die Äcker von Leutsdorf, Rosental, Nielub und Schönbrod
trocken gelegt worden sein. Hierdurch erhielt unsere Strombucht feste, ab-
geschlossene Grenzen; die natürlichen Abflüsse nach der Drewenz und Weichsel
verhinderten jedes Austreten über die teilweise flachen Ufer. Die Wasser-
massen stagnierten; die Strombucht erhielt den Charakter eines ruhigen
Wasserbeckens — eines Sees.
Zum reinen Seegrunde gesellte sich nun Sand und Staub der Um-
gebung. Es entstand ein neuer Seegrund, die Tontrübe. Sie bildete die
Grundlage für pflanzliche und tierische Wesen. Der jungfräuliche Boden
begünstigte die Entwickelung unzähliger Stäbchenalgen. Zwischen ihnen
wimmelte es von Krebstieren, Insekten, Wanzen und Süßwasserschwämmen.
So schnell ihr Wachstum, so kurz ihr Dasein. Wohl verschlangen die
Wassertiere — Großorganismen — Unmassen dieser Schwebeorganismen,
aber doch gab es noch immer jährlich so viele Leichen, daß durch ihre Ver-
wesung ringsum alles verpestet worden wäre, wenn die Natur keinen Aus-
weg geschaffen hätte. Die Wissenschaft hat aber nachgewiesen, daß gerade
im stagnierenden Wasser, das in seinen unteren Partien keinen Sauerstoff
enthält, oder welchem nur geringfügige Mengen davon zugeführt werden,
die Bedingungen vorhanden sind, um organische Materialien so von der
Luft fernzuhalten, daß eine Verkohlung stattfinden muß. Und in der Tat
findet man heute auf der Tontrübe des dereinstigen Seebeckens eine Schicht
aus organischen Bestandteilen der Wasserorganismen, die einmal hier gelebt
haben. Sie sind mehr oder minder weitgehend erhalten oder so zersetzt,
daß kohlenstoffhaltige, feste Reste zurückgeblieben sind. Das so durch Nieder-
schlag entstandene Gestein ist ein organischer Schlamm. Da sich dieser unter
ganz oder ziemlich ausschließlichen Fäulnisbedingungen befindet, so hat man
ihn Faulschlamm oder Sapropel genannt. Ans den Resten jener pflanz-
lichen und tierischen Urbewohner des Seebeckens hat sich im Laufe der Zeiten
eine fast unmeßbare, dicke Schicht von solchem Faulschlamm gebildet. Er
liegt auf dem Grunde des ganzen Zgnielkamoores, oft vermengt mit Ton
als Sapropelton, oft in breiartiger Masse als Sapropel und oft in gallert-
artiger Konsistenz als Lebertorf: ein Beweis wie reichhaltig uno zahlreich
die Pflanzen- und Tierwelt hier einst gewesen sein muß! — Der Faul-
schlamm entwickelt sich seit jener Zeit bis auf den heutigen Tag. Das be-
weisen die beiden Seen. Unter einer kaum handhohen Wasserdecke liegt eine
über 10 m dicke Sapropelschicht, nach unten sich langsam verdichtend. Die
durch Verkohlung erzeugte Wärme strahlt an bestimmten Stellen des Okun-
neksees derart aus, daß jene Stellen im Winter auch bei —20° C. nicht
zufrieren. Alle im Faulschlamm sich befindenden Bestandteile konservieren
sich so, daß man unter ihnen solche findet, die man für lebend halten möchte.
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TM Hauptwörter (200): [T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
jährlich fester, die früheren Pflanzengruppen machen Strauch und Bäumen
Platz. Letztere legen ihre Wurzeln horizontal iu den Boden. Durch den
reichlichen Laubfall wird der Humusbildung Vorschub geleistet und durch
Moorbrand der Boden besonders für den Birkensamen so günstig bereitet,
daß der junge Auftrieb fast undurchdringlich wird.
Mit diesem Ertrage kann die heutige Landwirtschaft sich nicht zufrieden-
geben. Deshalb sind die Birkenmoore bereits in Torfwiesen und diese durch
Besandung, Düngung und Besamung in Kulturwieseu umgewandelt worden.
Der so bereitete Boden liefert heute schöne Getreideernten. Wenn auch das
Korn etwas leicht ausfällt, so bietet doch das gewonnene Stroh ein vor-
treffliches Futter. Die Reichhaltigkeit der früheren Flora wird jetzt durch
den üppigen Wuchs der wenigen Kulturgewächse reichlich ersetzt. Das wilde
Grünlandmoor trägt heute ein schmuckes, modernes Kulturkleid. Nach dem
Urteile bedeutender Männer kaun sich aber im Laufe der Zeiten dieses freund-
liche Bild leicht ändern. Durch die stete Entwässerung des Bodens wird
derselbe zuletzt so durstig, daß im Hochsommer die Grasnarbe verbrennt.
Die trockene Torfasche ist aber nicht mehr fähig, sich mit neuem Grün zu
überziehen. Wenn dann die Herbstwinde einsetzen, erhalten wir dieselben
„Mullwehen", die in Rußland der Schrecken ganzer Gegenden sind.
Diesem Übel kann durch rechtzeitige Stauung der Winterwasser leicht ab-
geholfen werden. Ferner sei noch bemerkt, daß die mit der Beseitigung der
Flachmoore verbundene Entwässerung auch meteorologische Veränderungen
nach sich zieht, die für die Kultur der anliegenden Landteile von Nachteil
sein können. Nämlich in der Umgebung großer Moore ist stets ein reich-
licher Niederschlag vorhanden, der mit der Entwässerung sich verringert
und dadurch den Acker, besonders Sandboden, entwertet. Gewiß, für den
einzelnen ist ja ein in Kultur genommenes Flachmoor „Landerwerb", für
die Gesamtheit aber bedeutet jedes vernichtete Moor eine Schädigung.
Heym.
Vom Strande der Drewenz.
Eöir stehen auf dem Nawraberge, der nordwestlich von dem Städtchen
Neumark in Westpr. an dem rechten Drewenzufer emporsteigt. Schon lange
zog der kahle, wuchtige Berg, der eine weithin sichtbare Landmarke bildet,
wo immer wir weilen mochten, unsere Blicke auf sich, svdaß wir den nahe-
liegenden Entschluß faßten, das Drewenztal einmal von dem Gipfel des Berges
zu betrachten.
Durch mageres Weideland stiegen wir zu der Höhe empor; nun lohnt
eine weite Fernsicht die geringe Mühe. Die Landschaft, die sich vor uns
ausbreitet, ist nicht lieblich und lebensfroh, wie etwa in den Neustädter
Bergen oder den stillen Tälern, die von dem Kloster Oliva aus zwischen
bewaldeten Hügeln dahinführen. Und doch entbehrt sie, ernst und groß-
zügig wie sie vor uns daliegt, nicht eines eigenen Reizes.
In vielfachen Windungen jucht drunten im Tal die Drewenz ihren
Weg. Recht selten begleitet Weidicht ihren Lauf, noch seltener spiegeln sich
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Natur noch so uneingeengt entgegentritt, wo man sie in der Fülle ihrer
Macht und Stärke bewundern kann.
Als gegen Ende des neunten Jahrhunderts, also vor über 1000 Jahren,
der Seefahrer Wulfstan im Auftrage König Alfreds des Großen von England
eine Fahrt nach Preußens Küste unternahm, besuchte er die Handelsstadt
Trufo, die offenbar mit unserm See den Namen gemeinsam hat. Dieses
Truso lag an der Stelle oder doch in der Nähe des heutigen Elbing; bis
dahin reichten also noch die Wogen des Drausen In noch viel früherer
Zeit ist er ersichtlich eine Ausbuchtung des Frischen Haffes gewesen und
dehnte seine Ufer bis an den Fuß der Höhen, die von Marienburg über
Christburg und Pr. Holland im Bogen nach Elbing sich hinziehen. Als
der Orden in das Land kam, wurden die ersten Deiche errichtet. Schon
damals hatte die Verlandung des ganzen Beckens solche Fortschritte gemacht,
daß die zielbewußten, fleißigen Ansiedler nach und nach immer größere
Flächen entwässern und bebauen konnten. Siedelung auf Siedelung folgte
im Lauf der Jahre und Jahrhunderte, ein Dorf nach dem andern wurde
gegründet, bis aus dem weiten Seegrunde die fruchtbare Niederung ent-
standen war, die jetzt den an der tiefsten Stelle verbliebenen Überrest des-
Sees einschließt. Etwa 30 qkm mögen heute außerhalb der schützenden
Deiche liegen, die Längsausdehnung des Gebietes beträgt etwa 15 km, seine
größte Breite am Südende fast 5 km, von wo es sich nach Norden hin
verjüngt. Doch nur die Hälfte etwa weist im Frühjahr, nachdem der Winter
mit seinem Eisgang den See geräumt hat, offenes Wasser auf. Die Tiefe
beträgt etwa ein bis zwei Meter zur Zeit hohen Wasserstandes. Darunter-
liegt eine dichte Schicht von Moder und Schlamm, bis man bei etwa zehn
Metern den alten Meeressand erreicht. Die andere Hälfte des Gebietes
nehmen die stellenweise kilometerbreiten Uferstreifen mit ihren Kämpen ein,
die uns in recht mannigfaltiger Ausbildung entgegentreten. Geht man vom
Deiche auf sie hinaus, so muß man zunächst durch kniehohes Wasser hindurch.
Man befindet sich auf der sogenannten festen Kämpe. Bald aber merkt man
verwundert, wie der Boden trockener wird und man schließlich ganz aus
dem Wasser herauskommt. Allerdings ist es kein sicherer Boden, auf dem
man geht; man befindet sich auf schwankendem Terrain, das unter den Tritten
nachgibt und sich biegt. Dies sind die „Treibkämpen", weite Flächen zu-
meist mit Rohr bestandenen Landes, das wie ein Teppich auf dem Wasser
liegt und schwimmt. Wer zuin erstenmal auf diesem Boden wandert, kann
sich des Gefühls der Beklemmung kaum erwehren; aber der Führer, ohne
den man sich hier nicht bewegen kann, beruhigt uns, und tapfer schreiten
wir mit ihm weiter dem See zu, bis wir an das Ufer herangekommen sind,
ohne daß sich dabei die Festigkeit der Decke merkbar verändert hätte. Mit
einer gewissen Erleichterung setzen wir uns in das hier festgebundene Boot.
Das Rohr bedeckt den weitaus größten Teil der Kämpen, der festen
sowohl wie der schwimmenden. Dazwischen befinden sich jedoch auch recht
ausgedehnte Baum- und Strauchbestände. Hochstämmige Erlen bilden nicht
nur auf der festen Kämpe ganze Wälder, sondern ziehen sich auch auf das
Treibland hinauf. So befindet sich am Südende des Sees ein viele Hektar
großer Erlenbestand auf schwimmendem Boden. Kommt allerdings einmal
ein böser Wirbelwind, so reißt er manchen der schwarzen Gesellen aus dem
schwankenden Untergründe los und wirft ihn um, daß er seine Wurzeln ver
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Extrahierte Personennamen: Wulfstan
Extrahierte Ortsnamen: England Elbing Marienburg Christburg Holland Elbing Südende
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Wurzeln. Eichhörnchen sprangen munter von Zweig zu Zweig und schälten
deren junge Rinde. Die Stille des Waldes wurde vom Klopfen des Spechtes
unterbrochen, welcher in der Rinde und im Holz der Bernsteinbäume nach
Insekten suchte, auch wohl Höhlen zum Nachtaufenthalt und zum Brntgeschäft
in das Innere hineinzimmerte. Mit vereinten Kräften mögen auch beide
Tiere die Zapfen der Nadelbäume bearbeitet und zerstört haben.
Tausende von Jnsektenarten schwirrten im Wald umher und befielen die
Pslanzen und größeren Tiere derselben. Bastkäfer bohrten gesunde und
kranke Stämme an und gingen in die Rinde oder flach in den Splint hinein;
sie brachten kränkelnde Bäume rasch zum Absterben und machten junge Indi-
viduen zu Krüppeln, welche in der Folge anderweitigen Angriffen um so
eher ausgesetzt waren. Die Larven gewisser Insekten fraßen die jungen
Triebe oder auch die Zapfen an und durchnagten altes Holz nach allen
Richtungen. Ferner erschienen Bockkäfer, welche ihre Eier an der Rinde
ablegten oder sie tief in deren Risse einführten; die Larven fraßen zunächst
oberflächlich und setzten im folgenden Jahr ihre Tätigkeit im Holz fort.
Einige Arten befielen lebende Bäume, andere wiederum abgestorbene Hölzer;
auf manche Bockkäfer mag besonders von Seiten der Spechte Jagd gemacht
sein. Am Rande des Waldes und an lückigen Stellen, wo Licht und Wärme
ungehinderten Zutritt hatten, flogen Prachtkäfer an und legten hier gleich-
falls ihre Eier in die Borkenrisse der Bernsteinbänme. Die Larven wanderten
noch in demselben Jahre in die äußeren und im folgenden auch in die
inneren Schichten des Splintholzes und bildeten hier von oben nach unten
geschlängelt verlaufende Gänge, welche nicht gereinigt wurden. Manche Tiere
fanden sich auch in lebenden Bäumen und konnten auf dieselben in jugend-
lichem Alter sogar tätlich einwirken. Wo durch Windbruch große Mengen
frischen Holzes gefallen waren, blieb der Borkenkäfer nicht aus; er entwickelte
sich in einer enormen Fülle und zerstörte im Verein mit Pilzen nicht nur
das gesamte gebrochene Material, sondern griff auch die weniger beschädigten,
stehenden Bäume in der weiteren Umgebung an. Ans diese Weise wurden
die Windrißlöcher zu Brutstätten für Käfer und andere Insekten, sowie zu
Infektionsherden für Schmarotzer und Halbschmarotzer ans dem Reiche der
Pilze. Nachdem dieses ganze Material, unter steter Einwirkung der
Atmosphärilien, Pilze und Insekten verarbeitet war, konnte der junge An-
flug in der entstandenen Lücke aufkommen und dieselbe im Laufe größerer
Zeiträume wieder ausfüllen; aber in derselben Zeit hatten gewiß anderswo
schon andere Beschädigungen Platz gegriffen.
Neben den Käfern zeigten sich andere Insekten im Bernsteinwald. Sv
wurden die Nadeln der Bäume von gewissen Hautflüglern (Lophyrus) be-
fallen und abgefressen, wodurch bei massenhaftem Auftreten derselben weite
Strecken verwüstet werden konnten; andere Hautflügler, wie die Larven
von Holzwespen, lebten im Holz der zurückbleibenden und kränkelnden
Stämme. Auch die Rüupchen von Wicklern nagten in den Nadeln und in
der Rinde junger Bäume; die gebräunten Nadelreste blieben anfangs wohl
hängen, fielen aber später ab. Gallmücken impften ihre Eier jungen Pflanzen-
teilen ein und gaben zur Bildung von Gallen Anlaß, in welchen die Larven
ihre Entwickelung durchmachten; wenn dieses gerade am Grunde junger
Nadeln geschah, wurden letztere selbst beschädigt und fielen weit früher, als
unter normalen Verhältnissen ab. Baumläuse bedeckten Stamm und Äste und
betrug, in Zahlen gekleidet, 12 Millionen Mark. Und welche Bilder der
Not verhüllt die tote Zahl! Seit Jahren ist die Staatsregierung durch die
Königliche Strombauverwaltung bemüht, zu schützen, soweit Menschen gegen
die Allgewalt der Elemente schützen können. Seit einem Menschenalter
gehen Eisbrechdampfer von besonders erdachter Bauart — mit kiellosem,
flachem Borderbug fahren sie auf das Eis und brechen es durch die Gewalt
des Drucks in Stücke — alljährlich zur Zeit des Eisgangs die Weichsel
stromauf, womöglich bis zur Nogateinmündung oder noch weiter, um die
Eisdecke zu zerbrechen, die der Frost bis zu 60 cm Stärke schuf. Damit
alsdann der Strom des freigewordenen Eises ohne große Reibungen auf
Die Weichselmündung vor 100 Jahren.
möglichst kurzem Wege die offene See erreiche, ist endlich nahe dem Dan-
ziger Haupt der Schiewenhorster Durchstich gegraben, der geradeswegs
gen Norden die Eis- und Wassermassen in die Danziger Bucht Hintreiben
soll. Die Wucht des überquellenden Weichselstroms wird treffend dadurch
gekennzeichnet, daß nach den Berechnungen der Sachverständigen die in der
Sekunde abfließende Wassermenge bei größtem Hochwasser oberhalb der Strom-
teilung etwa loooocbm betrügt, bei niedrigstem Wasserstand immerhin 450 cbm.
Durchschnittlich 375 »> ist der Fluß in der Nähe der Mündung breit.
Von Einlage ab geht die Weichsel in nahezu nordwestlicher Richtung
an dem in der Neujahrsnacht des Jahres 1840 durch Eisgang gebildeten
Durchbruch bei Neufähr vorüber, durch die Plehnendorfer Sch lense,
dann, nicht weit von Danzig entfernt, an der Einmündung der Mottlau,
teils durch den neuen Kaiserhafen, teils in ihrem alten Flußbett an der
Kaiserlichen Werft und an der Schichauwerft vorbei nach Weichselmünde,
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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Einfach gestaltet sind der Ost- und Südrand. Mehr Abwechselung in
der Gestaltung der Küste bietet der Westrand. Der nördlich der Stadt Zoppot
unmittelbar ans Meer herantretende pommerellische Landrücken sorgt für diese
Abwechselung. Flach liegende Buchten wechseln mit wallartig hoch und steil
aufsteigenden, gegen das Meer trotzig vortretenden Plateaus, hier Kämpen
genannt, ab. Der Formenreichtum dieser stark gegliederten Westküste wird
noch durch die etwa 35 km lange Landzunge Hela vermehrt.
Die Danziger Bucht stellt die tiefste Bodensenke der Ostsee im gesamten
deutschen Küstengebiet dar. Erst in 110 Tiefe erreicht östlich Hela das
Steilküste an der Danziger Bucht bei Oxhöft.
Senkblei den Meeresgrund. Schnell fällt der Boden zu dieser Tiefe ab, be-
sonders an der Südspitze Helas und an der Frischen Nehrung. Flach ist der
innere Teil der durch die Landzunge Hela gegen das offene Meer geschützten
Putziger Wiek, wo auf weite Flächen nur 0,5—3 m die Wassertiefe betrügt.
Dte Kenntnis von dem inneren Aufbau des in Rede stehenden Gebietes
ist fast ausschließlich auf die Küstenränder beschränkt. Im Osten ist es die
Schichtenreihe tertiärer Sande, die den meerbespülten Fuß des Samlandes
bilden und durch ihren Reichtum an Bernstein Weltruf erlangt haben. Eine
Diluvialdecke von im ganzen geringer Mächtigkeit überlagert den tertiären
Kern des nach Süden sich verflachenden Samlandes.
Diluviale Schichten verschiedenen Alters sowie alluviale Anschwemmungen
bilden den Festlandsrand des Frischen Haffes, das im geologischen Sinne als ein
Stück der Danziger Bucht zu betrachten ist. Erst durch das Vorschieben der
alluvialen Dünenkette der Frischen Nehrung ist es dem Meere entfremdet
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Extrahierte Ortsnamen: Zoppot Hela Hela Helas Hela Bernstein_Weltruf